Betr.: Beantwortung Anfragen MDR - Würden Sie die DDR aus heutiger Sicht als einen „Unrechtsstaat“ bezeichnen?

Diese Frage ist für mich nicht mit Ja oder Nein zu beantworten. Für mich wäre es wichtiger gewesen, dass wir 25 Jahre Mauerfall  und friedliche Revolution zum Anlass genommen hätten, in der Partei DIE LINKE DDR-Geschichte weiter aufzuarbeiten. Im Ergebnis hätte dann auch die Beantwortung der von Ihnen gestellte Frage stehen können.
Jedenfalls hätten wir die Parteibasis mitnehmen müssen. Jetzt steht „Unrechtsstaat“ als Kampfbegriff  scheinbar unumstößlich fest und viele Parteimitglieder fühlen sich überrumpelt.
Als sehr gut hätte ich es empfunden, wenn wir diese Geschichtsaufarbeitung gemeinsam mit SPD und B90/Grüne angegangen wären. Nicht nur die Sondierungsgruppen der Parteien hätten darüber reden müssen, sondern die Parteien insgesamt sollten miteinander statt übereinander reden. Das schafft Vertrauen. Vielleicht ist es dafür noch nicht zu spät.

In meinem Kreisverband im Ilm-Kreis gibt es keine Verherrlichung der DDR und kaum einer wünscht sich die DDR zurück. Aber der Begriff „Unrechtsstaat“ auf die DDR bezogen, wird, so meine Einschätzung, bisher von einer Mehrheit der Parteimitglieder abgelehnt.

Finden Sie es persönlich richtig, dass die DDR in der Präambel zu einem möglichen Koalitionsvertrag als Unrechtsstaat bezeichnet wird?

Ein Koalitionsvertrag ist kein Wunschzettel, sondern ein Kompromiss. Wenn es für die möglichen Koalitionspartner wichtig ist, dass so etwas in der Präambel steht, müssen wir damit umgehen.
Allerdings sehe ich Rot-Rot-Grün eher als eine Aufgabe für die Zukunft, dass hat auch die Landtagswahl gezeigt. Aufarbeitung von DDR-Geschichte ist als gesamtgesellschaftliche Aufgabe sehr wichtig. Als ein zentrales Thema für eine künftige Landesregierung halte ich dies aber für weniger geeignet.
Wenn Rot-Rot-Grün daran scheitert, ob der Begriff „Unrechtsstaat“ auf die DDR bezogen, in der Präambel des Koalitionsvertrages steht oder nicht, wäre das ein Armutszeugnis nicht nur für DIE LINKE, sondern vor allem auch für die Thüringer SPD und B90/Grüne. Die Alternative wäre: Sie müssten dann mit der CDU regieren – Schwarz-Rot-Grün als Option?
Ich kenne die Präambeln von Koalitionsverträgen vom Mecklenburg-Vorpommern, Berlin und Brandenburg nicht. Dort regiert oder hat die Linke mitregiert. An eine solche Debatte, wie sie jetzt in Thüringen zum „Unrechtsstaat DDR“ geführt wird, kann ich mich nicht erinnern.

Im Ilm-Kreis funktioniert ein Rot-Rot-Grünes Bündnis. Das hat sich ganz unaufgeregt formiert. Die handelnden Personen vertrauen einander und selbst massives Störfeuer einiger SPD-Mitglieder konnte diesem Bündnis bisher nichts anhaben. Im Kreisverband gehen wir davon aus, dass unabhängig von der Entscheidung zu einer neuen Landesregierung, dieses Bündnis Bestand hat.
Wir hoffen aber ganz sehr auch auf Rot-Rot-Grün in Thüringen.

Wenn Sie den Begriff ablehnen, sollte DIE LINKE die Verhandlungen nicht lieber beenden?

Nein. Die Verhandlungen sollten weiter geführt werden. Das sieht die Parteibasis nach meiner Überzeugung ebenso.

Fühlen Sie sich als Vertreter der Linken von Grünen und SPD erpresst?

Das nicht. Allerdings ist es auch so, dass die Chancen für Rot-Rot-Grün 2009 rechnerisch besser waren als sie es 2014 sind. Wir als Linke haben zugelegt, SPD und B90/Grüne haben verloren. Die SPD dramatisch.
Es wird sowieso schwierig im Landtag gegen die Wahlgewinner CDU und AfD zu regieren. Da wird es auf den Zusammenhalt der Koalitionäre ankommen. Ob man sich da mit Maximalforderungen, auch in Bezug auf die Aufarbeitung von DDR-Geschichte, einen Gefallen tut, wage ich zu bezweifeln. Allerdings vertraue ich unserer Sondierungsgruppe und hoffe auf die Kompromissfähigkeit unserer Partner.  

Ich gehe davon aus, dass dies in unserem Kreisverband ebenso gesehen wird.

Eckhard Bauerschmidt
Kreisvorsitzender
DIE LINKE Ilm-Kreis