8. Mai 2012

Klein ist der Kreis derer, die sich zusammenfinden um an die Befreiung des deutschen Volkes und aller Völker in Europa von der dunklen Herrschaft des Faschismus zu erinnern. Trotz alledem, wird der Stadtverband immer wieder gerade an diesem Tag mahnend auf die Zunahme rechter Gewalt in unserer Gesellschaft hinweisen.

Aus der Rede von Karl-Heinz Mitzschke

Vor 67 Jahren ging eine Schreckensherrschaft zu Ende. Eine Herrschaft, die noch in ihren letzten Zuckungen Häftlinge auf den Todesmarsch schickte, die selbst Kinder dem Krieg zum Fraß vorwarf.

Ein System, gierend nach Macht und von Mächtigen in deren Gier nach Profit unterstützt, menschenverachtend ohnegleichen, stürzte die Völker der Welt in ein unermessliches Unheil.

Denn wer will sie  messen, die ausgelöschten Leben, die nicht erfüllten Träume vom kleinen Glück, den Schmerz der Kinder von den Müttern losgerissen, die verlorene Jugend, die aufgegebene Heimat. Kein Maß ist groß genug für dieses Leid.

Auch unsere kleine Stadt wurde nicht von ihm verschont. 1938 stürmten aufgeputschte Ilmenauer Bürger, Verführer und Verführte gleichermaßen die kleine, bescheidene jüdische Betstube in der Burggasse, zerrte ein aufgebrachter Mob die Torarollen auf den Marktplatz, um sie dort zu verbrennen.  Am 9. Mai 1942 standen die letzten unserer jüdischen Mitbürger als unglückliches Häuflein zusammengedrängt,  verlassen, ohne Mut  am Bahnhof und harrten auf ein ungewisses Schicksal.

Ob sie noch Hoffnung in sich trugen wissen wir nicht, was wir aber heute wissen, nur 6 von  den 33 Verschleppten  überlebten.

So brachte der 8. Mai 1945 ein Aufatmen zwar, eine Hoffnung, aber wer wollte, wer konnte  froh sein, angesichts millionenfachen Todes. Besiegt war er, der Faschismus, den auch heute noch einige bei seinem Lügennamen Nationalsozialismus nennen, besiegt auf dem Schlachtfeld, nicht aber in den Köpfen.  

Und dies ist es, was uns Angst macht, dies ist es was uns aufrütteln muss. Nicht nur die Verharmlosung des Systems in der alten Bonner Republik, die siebenmal mehr Prozesse gegen Kommunisten führte als gegen ehemalige Faschisten, auch Bundeswehrkasernen wurden nach verbrecherischen Generälen der deutschen Wehrmacht benannte.

So gab es bis 1995 eine Generaloberst-Dietl-Kaserne.  Ein Mann, übelster Art, Redenschwinger, ja, Peitscher, der rief:

"Der Frontsoldat weiß, dass es sich um den Schicksalskampf des deutschen Volkes handelt, dass sich die Juden der ganzen Welt zusammengeschlossen haben zur Vernichtung Deutschlands und Europas.  Der Krieg ist der unerbittliche Läuterer der Vorsehung. Ich erkläre feierlich: Ich glaube an den Führer!" Hitler nannte ihn seinen "Mustergeneral".   

Solch eine Tradition pflegte die Bundeswehr, und pflegt sie noch! 

Wie gut, dass es in Ilmenau eine Geschwister Scholl und eine Karl-Zink Schule gibt und einen Arbeitskreis Stolpersteine. Vielleicht wird ja auch dort einer verlegt, wo die jüdische Betstube stand.

Nein, ich könnte noch lange darüber reden, aber nicht dies allein macht uns Angst.

Es ist die Oberflächlichkeit, die Halbherzigkeit,  mit der diese Gesellschaft angesichts der Gefahr handelt. Unzählige Filme flimmern über den Bildschirm, die vorgeben sich mit dem faschistischen Verbrecherstaat auseinanderzusetzen.  Menschen kommen darin zu Wort, die über die schöne Zeit bei der SS schwärmen. Aber ganz selten  sah ich etwas über die, welche die  Hauptlast im Kampf gegen  die faschistischen Verbrecher auf ihre Schultern luden. Niemöller, Beimler, Saefkow, Schulze-Boysen, Thälmann, unzählige…

Sozialdemokraten, Kommunisten, aufrechte Liberale, ehrliche Bürger.

Alltag unterm Hackenkreuz nennt sich eine Serie. Bilder der Front werden gezeigt. Ja, manchmal auch Zerstörung. Aber war dies der Alltag? Nichts über das Elend der Verfolgten. Nichts über die Ängste und den Mut sich zu widersetzen.  Ist das der Alltag denn man sehen möchte?

Wenn es dieser Gesellschaft nicht gelingt endlich ehrlich zu sein, dann gilt das Brecht Zitat aus Galileo Galilei:

Wer die Wahrheit nicht kennt ist nur ein Dummkopf. Wer sie aber kennt und sie eine Lüge nennt, ist ein Verbrecher.

Ich widerhole es noch einmal:  Der Faschismus  wurde auf den Schlachtfeld besiegt, nicht aber in den Köpfen.

Denn wie anders ist es zu verstehen, dass eine Organisation, die sich Nationalsozialistischer Untergrund nennt über Jahre hinweg operierte, Menschen ermordete, durch unglaubliches Versagen stattlicher Organe unentdeckt blieb? War es nur Leichtfertigkeit, Unvermögen? Schon dies müsste uns Sorgen bereiten.

 Der Staat finanziert durch Steuergelder eine Partei, faschistisch, ewig gestrig, die NPD,   statt sie zu verbieten. Nein, noch mehr, er finanziert auch die Verfolgung derjenigen, die etwas  dagegen tun. Er vermeint die neuen Faschisten zu bekämpfen, indem er Leute dort einschleust, die sie unterstützen. 

In der Medizin gibt es einen Begriff der diesen Zustand beschreibt –Schizophrenie. Gespalten sein.

Tatsächlich, treffender könnte das Bild nicht sein. Gespalten ist diese Gesellschaft.

Gespalten in ihrer Sicht auf die Geschichte, Gespalten,  indem sie nicht teilhaben lässt.

Wer Ungerechtigkeit erlebt, wird nicht gerecht sein, wer ausgegrenzt ist, grenzt andere aus, der Schläger wurde einstmals geschlagen.

So ist der soziale Nährboden bereitet, auf dem das erneut wuchern kann, was schon einmal Unheil brachte. Und der Blick nach Griechenland zeigt uns, eine rechtsextreme Partei, die ins Auge fasst, die Grenzen gegen Einwanderer zu verminen, schaffte den Sprung ins Parlament.

Gedenken ist das eine, Politik, die dies unmöglich macht das andere, wichtige.

Im Kleinen könnte beginnen, was Erfolg verspricht. Bessere Bildung, ehrliche Aufklärung überhaupt. Wirksame Programme im Kampf gegen Rechtsextremismus. Was aber erleben wir? Gefeilscht wird und gekürzt. Programme gegen Linksextremismus  und Islamismus werden ins Leben gerufen, selbst von unabhängigen Wissenschaftlern kritisiert. 

Wie viel  Kraft wird aufgebracht, die Geschichte der DDR darzustellen, wie viele Veranstaltungen, Wanderausstellungen  werden finanziert dazu?

Will man uns wirklich glauben machen dies ist es was wir fürchten müssen?

Die rechte Gefahr ist im Alltag angekommen, sie erfasst die Mitte der Gesellschaft und so kann sie nur wirksam bekämpft werden wenn auch ihre soziale Wurzel ausgedörrt wird, wenn wir endlich verstehen, dass es unser Zusammenleben ist, das wir neu denken, neu gestalten müssen. Sonst werden alle gut gemeinten Aktivitäten nur wenig verändern. 

Und, lasst uns dies mahnend sagen:

wirksamer Kampf gegen die faschistische Ideologie kann nur münden in einem breiten Bündnis aller Demokraten, nicht, indem Kräfte ausgegrenzt werden. 

Im Epilog seines Lehrstückes der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui warnte uns Brecht:

Ihr aber lernet, wie man sieht, statt stiert,

und handelt statt zu reden noch und noch

So was hätt einmal fast die Welt regiert

Die Völker wurden seiner Herr, jedoch

Dass keiner uns zu früh da triumphiert

Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch! 

 

Ich danke Euch, dass ihr gekommen seid zu mahnen und zu gedenken!